Medizinische Vorsorgeuntersuchungen

Eines der Kriterien der Medizin, wann eine Vorsorgeuntersuchung durchgeführt werden soll, ist das biologische Alter. Damit ist sichergestellt, dass jeder Mensch irgendwann in eine Situation kommt, in dem ihm eine Vorsorgeuntersuchung empfohlen wird (Ein sensationeller Marketing-Trick! Ich mach das jetzt dann auch: Haben Sie eine Nase im Gesicht? Dann sollten Sie unbedingt ein Allegro Coaching buchen!).

Bei einer Vorsorgeuntersuchung gibt es zwei mögliche Resultate:

• Es liegt ein Befund vor
• Es liegt kein Befund vor

Liegt ein Befund vor, startet eine unaufhaltsame Maschinerie: Weitere Untersuchungen, Analysen, Besprechungen, Therapien, Nachkontrollen, weitere Untersuchungen, Analysen, Besprechungen, Therapien, ... Ein Abbruch dieses Verfahrens, beziehungsweise daraus auszusteigen, ist theoretisch nur dann möglich, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt sämtliche Untersuchungen und Analysen ohne Befund bleiben.

Praktisch ist ein Ausstieg überhaupt nicht möglich - betrachten wir noch die Situation, wenn kein Befund vorliegt. Was wird dann empfohlen? Es wir dringend empfohlen in absehbarer Zeit wieder in eine Untersuchung zu kommen - nur weil jetzt nichts gefunden wurde, heisst das noch lange nicht, dass man nicht in sechs Monaten etwas finden würde. Es wird solange gesucht, bis etwas gefunden wird.

Das hat auf mentaler Ebene ungeheuerliche Auswirkungen: Alle Beteiligten wissen, dass auf das Ziel hingearbeitet wird, einen Befund zu haben. Dass alle Beteiligten beteuern, das sei ja etwas, das sie nicht wollten, macht auf mentaler Ebene überhaupt keinen Unterschied! Das Ziel ist gesetzt, und wenn Du nur ein bisschen einer halben Ahnung hast, wie spezifische Gedanken sich auf den weiteren Verlauf des Lebens auswirken können, erkennst Du: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, dass über kurz oder lang ein Befund vorliegt, einfach nur deswegen, weil darauf hin gearbeitet wurde.

Was wäre denn die wünschenswerte Alternative?

Erstens: Es gibt keinen Grund für Vorsorgeuntersuchungen. Nur weil irgendein Herr Meier im Alter von 45 Jahren eine bestimmte Erkrankung hatte, heisst das nicht, dass irgendein Herr Müller dieselbe Erkrankung haben sollte, wenn er 45 Jahre alt wird. Menschen sind verschieden, haben unterschiedliche Persönlichkeiten und unterschiedliche Biografien. Von einem individuellen Menschenleben auf ein anderes zu schliessen ist schlicht falsch.

Zweitens: Wird eine Untersuchung durchgeführt, ohne dass nachher ein Befund vorliegt, lautet die richtige Reaktion darauf: "Sie sind gesund - gehen Sie nach Hause und leben Sie ein glückliches Leben, ich wünsche Ihnen viel Freude dabei!"